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ZUM MOTIV DES MENSCHENOPFERS IN SHAKESPEARES KAUFMANN VON VENEDIG UND RICHARD II.

Als der jüdische Wucherer Shylock sich anschickt, dem christlichen Kaufmann Antonio ein Pfund Fleisch aus dem Körper zu schneiden und ihn damit zu töten, ruft er aus:

My deeds upon my head!      (IV,1,202)

Damit spielt Shakespeare auf Matthäus 27,25 an. Die jüdische Volksmenge fordert Christi Folterung und Hinrichtung mit den Worten:

Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!
Sanguis eius super nos et super filios nostros!
His blood be on us, and on our children!            

Diese Bibelstelle ist ein heißes Eisen, denn die traditionelle christliche Exegese deutet sie als Blutruf, als Selbstverfluchung des jüdischen Volkes, das Christi Hinrichtung gefordert und die Schuld dafür übernommen und an seine Nachkommen weitergegeben hat; die Juden galten deshalb als Volk der Christusmörder, Pogrome und andere antisemitische Untaten wurden seit alters mit dieser Bibelstelle als Strafe dafür gerechtfertigt und besonders nach 1945 haben christliche Theologen mit Matthäus 27,25 ein kaum zu lösendes Problem. Und das gilt auch für die Shakespeareforschung. Will Shakespeare die Beinahe-Ermordung des Christen Antonio durch den blutrünstigen Juden Shylock als Wiederholung des Christusmordes, als jüdische Untat gedeutet haben, so setzt er sich dem Vorwurf aus, antisemitische Vorurteile zu bedienen und mit seinem Kaufmann von Venedig ein antisemitisches Stück geschaffen zu haben. Judenhass war zu Shakespeares Lebzeiten mainstream. Die meisten damaligen Zuschauer glaubten, dass Juden Christenkinder entführen, foltern, kreuzigen und ihr Blut zu magischen Zwecken verwenden (1), in ihr Bild vom Juden passt deshalb Shakespeares Shylock, der Antonio verstümmeln will und der offenbar auch auf sein Blut versessen ist, denn Portia durchkreuzt seinen Plan mit dem Argument, laut Vertrag dürfe er ein Pfund Fleisch von Antonio haben, aber keinen Tropfen Blut:

This bond doth give thee here no jot of blood,
The words expressly are “a pound of flesh”:
Take then thy bond, take thou thy pound of flesh,
But in the cutting it, if thou dost shed
One drop of Christian blood, thy lands and goods
Are by the laws of Venice confiscate
Unto the state of Venice.                           (IV,1,302ff.)

Portia spricht ausdrücklich von Christenblut, bestätigt also die aus dem Mittelalter stammenden Vorurteile der elisabethanischen Theaterbesucher.

Auch wir sehen in unserem Deutungsversuch Shylocks Ruf „My deeds upon my head!“ als Anspielung auf Matthäus 27,25. Wir verstehen ihn als den bewussten oder unbewussten Wunsch, mit dem Blut des Opfers besprengt zu werden und interpretieren die beabsichtigte Verstümmelung und Ermordung Antonios als Rückfall in einen archaischen Brauch: den des Blut- und Menschenopfers.
Dabei können wir uns auch auf christliche Theologen stützen, die dem Blut, das Christus als Menschenopfer am Kreuz zur Erlösung der sündigen Menschen vergossen hat, eine Sühne- und Segenswirkung zusprechen, die in der Tradition uralter vorchristlicher Vorstellungen steht. So schreibt Hans Windisch über “die Sühnkraft des Blutes“: „Die Anschauung, dass das Blut imstande sei, die Gemeinschaft zwischen der Gottheit und ihren Verehrern wiederherzustellen, ist ein Fundamentalsatz antiker, insbesondere jüdischer und urchristlicher Religion. Sie ist vor allem altsemitisch … Durch sein Kreuzesblut hat Christus die große kosmische Versöhnung und den Weltfrieden gestiftet … Dieses Blut ist mit dem eines fehlerlosen Lammes zu vergleichen I Petr 1,19, wie es zum Opfer erforderlich war, mit ihm sind die Auserwählten besprengt I Petr 1,2, wie die Israeliten mit Tierblut bei der Bundesstiftung von Moses besprengt wurden Ex 24,6-8, es hat wie jenes reinigende Kraft I Joh 1,7“ (2).
Der biblische Blutruf „Sein Blut komme auf uns und auf unsere Kinder!“ lässt sich also durch Heranziehung von 2. Moses 24,8 und verwandter Stellen als Wunsch nach ritueller Läuterung und Segnung durch Besprengung oder Bestreichung mit Opferblut deuten:

Da schrieb Mose alle Worte des HERRN nieder und machte sich früh am Morgen auf und baute einen Altar unten am Berge und zwölf Steinmale nach den zwölf Stämmen Israels und sandte junge Männer aus den Kindern Israel hin, dass sie darauf dem HERRN Brandopfer opferten und Dankopfer von jungen Stieren. Und Mose nahm die Hälfte des Blutes und goss es in die Becken, die andere Hälfte aber sprengte er an den Altar. Und er nahm das Buch des Bundes und las es vor den Ohren des Volks. Und sie sprachen: Alles, was der HERR gesagt hat, wollen wir tun und darauf hören. Da nahm Mose das Blut und besprengte das Volk damit und sprach: Seht, das ist das Blut des Bundes, den der HERR mit euch geschlossen hat auf Grund aller dieser Worte.

Oder 2. Moses 29,19ff.:

Den andern Widder aber sollst du nehmen, und Aaron und seine Söhne sollen ihre Hände auf seinen Kopf legen, und du sollst ihn schlachten und von seinem Blut nehmen und es Aaron und seinen Söhnen an das rechte Ohrläppchen streichen und an den Daumen ihrer rechten Hand und an die große Zehe ihres rechten Fußes; und du sollst das Blut ringsum an den Altar sprengen. Und du sollst von dem Blut auf dem Altar nehmen und Salböl und sollst Aaron und seine Kleider, seine Söhne und ihre Kleider damit besprengen. So werden er und seine Kleider, seine Söhne und ihre Kleider geweiht.

Aus dieser rituellen Entsühnung und Segnung durch Besprengung mit Opferblut leitet sich auch die erlösende Kraft von Christi Blut, das bei seiner Opferung am Kreuz vergossen wird, ab – dazu Der Brief an die Hebräer 9,13ff.:

Denn wenn der Böcke und der Ochsen Blut und die Asche von der Kuh, gesprengt auf die Unreinen, sie heiligt zu der leiblichen Reinigkeit, wieviel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst als ein Opfer ohne Fehl durch den ewigen Geist Gott dargebracht hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott!

Die „Besprengung mit dem Blut Jesu Christi“ nennt der Erste Petrus-Brief in seiner Einleitung als Vorzug, der den Angehörigen der christlichen Religion zuteil wird:

Petrus, ein Apostel Jesu Christi,
    den Fremdlingen in der Zerstreuung …, die erwählt sind nach der Vorsehung Gottes, des Vaters, in der Heiligung durch den Geist, zum Gehorsam und zur Besprengung mit dem Blut Jesu Christi:
    Gott gebe euch viel Gnade und Frieden!

Um Christi Blut, das der Besprengung dient, geht es auch im Hebräerbrief 12,24:

Sondern ihr seid gekommen ... zu dem Mittler des neuen Bundes, Jesus, und zu dem Blut der Besprengung, das da besser redet als Abels Blut.

Abels Blut, das Kain vergossen hat und das aus der Erde um Rache schreit, bringt dem Mörder keinen Segen, sondern erregt Gottes Zorn gegen ihn. Anders das Blut Christi! Weil es vergossen wird, besänftigt es Gottes Zorn über die sündige Menschheit und entfaltet Heilswirkung, beeinflußt Gott also positiv. Die Bibelstelle vergleicht Abels und Christi Tod: Beide sind Menschenopfer, doch nur letzterer ist Gott willkommen. Mit seiner Tat erzürnt Kain den christlichen Gott offenbar deshalb, weil er Abel nicht ihm geopfert hat, sondern Mutter Erde, die in der vorchristlichen Naturreligion die weibliche Hauptgottheit war (2a), die von dem patriarchalischen Christentum entthront - und verflucht (1 Moses 3,17) - wurde; 1 Moses 4,11 schildert die Erde als Numen, das sein Opfer erwartet und in sich aufgenommen hat:

Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen.

Die segnende Wirkung, die in archaischen Zeiten von der Besprengung mit Blut eines geopferten Menschen oder Tieres ausging, spiegelt auch die Etymologie des englischen Wortes für segnen, to bless. Es kommt laut Collins von altenglisch blaedsian „mit Opferblut besprengen“, das mit blood verwandt ist (3); seine ursprüngliche Bedeutung war laut Oxford English Dictionary : „to mark (or affect in some way) with blood (or sacrifice); to consecrate”.

Körperliche Berührung der Opfernden mit dem Blut geopferter Stiere erwähnt auch Aischylos in seinem Drama Sieben gegen Theben. Die sieben Heerführer, die Theben erobern wollen, suchen durch dieses Opfer den Beistand des Kriegsgottes Ares (und anderer Gottheiten):

Ich komm mit sichrer Kunde drüben von dem Heer,
Bin selber Augenzeuge der Vorgänge dort,
Wie sieben Helden, mutge Führer ihrer Schar,
Stieropfer schlachtend auf dem schwarzgebundnen Schild
Und tauchend dann die Hände in des Stieres Blut,
Bei Ares, bei Enyo, beim blutgiergen Gott
Der Furcht die Stadt zu schleifen schworen, Kadmos‘ Burg
Ganz auszuplündern mit Gewalt                                         (4)

Besprengung mit Opferblut ist auch für das alte Norwegen bezeugt. Der Brauch gehörte zur germanischen Religion, die sich dort der Christianisierung zum Trotz zäh hielt. In der Heimskringla, der Snorri Sturluson zugeschriebenen Geschichte der norwegischen Könige, liest man über das heidnische Opferwesen unter König Håkon dem Guten (935-959):

Man schlachtete dort auch Vieh aller Art und besonders Pferde. Alles Blut aber von diesen nannte man Opferblut, und die Schalen, in denen das Blut stand, hießen Opferschalen, die Opferwedel aber waren nach Art von Sprengwedeln gemacht. Mit diesen sollten die Götteraltäre allesamt bespritzt werden, ferner die Wände des Tempels innen und außen. Auch auf die Menschen sollte man das Opferblut mit ihnen sprengen. (4a)

Auch an den Lupercalien, einem altrömischen sakralen Fest zu Ehren des Fruchtbarkeits- und Vegetationsgottes Faunus, wurden Opfernde mit dem Blut der Opfertiere bestrichen; Plutarch überliefert in seiner Romulus-Biographie:

Man schlachtet Ziegen, dann werden zwei Jünglinge von Adel herbeigeführt, denen einige mit dem blutigen Messer die Stirn berühren, während andere sogleich mit einem in Milch getauchten wollenen Lappen das Blut wieder abwischen. Nach dem Abwischen müssen die Jünglinge lachen. Hierauf schneiden sie die Ziegenfelle in Streifen, laufen nackt, nur mit einem Lendenschurz, durch die Stadt und schlagen die Begegnenden mit den Riemen. Die erwachsenen Frauen suchen diesen Schlägen nicht auszuweichen, weil sie glauben, dass sie für Schwangerschaft und leichte Geburt heilsam sind.                                              (5)

Der archaische Brauch des Besprengens oder Bestreichens mit dem Blut von Menschenopfern wurde schon in der Antike als barbarisch empfunden und so weit wie möglich abgemildert bzw. eingeschränkt. So sind bei den Lupercalien die Menschenopfer durch Ziegen ersetzt. Und nicht die gesamte Volksmenge, wie es noch der biblische Blutruf „Sein Blut komme über uns!“ verlangt, sondern nur zwei Vertreter, die beiden adeligen Jünglinge, werden mit dem Opferblut bestrichen, das sogleich wieder abgewaschen wird. Außerdem ist das Bestreichen mit dem Blut der Ziegen durch Schläge mit Streifen aus ihrem Fell, was ja auch eine ungewöhnliche, intensive Berührung mit einem pars pro toto des Opfers ist, ersetzt worden.

Abgemildert wurde der Brauch auch im alten Sparta. Der Altar der Artemis Orthia musste mit Blut bespritzt werden, das von Menschen stammte, die ursprünglich für die Göttin geschlachtet wurden. Das Ritual der Besprengung wurde beibehalten, doch zur Erlangung des Blutes wurde nicht mehr getötet, sondern nur noch gegeißelt; Pausanias überliefert:

Und daraufhin erging ein Spruch an sie, den Altar mit Menschenblut zu bespritzen. Als geopfert wurde, wen das Los traf, ersetzte Lykurgos das durch die Geißelung der Epheben, und so wird der Altar ebenfalls mit Menschenblut bespritzt. Die Priesterin steht mit dem Holzbild daneben. Das ist sonst leicht durch seine Kleinheit, wenn aber jemand aus Rücksicht auf Schönheit oder Rang eines Epheben vorsichtig schlägt, dann wird das Bild für die Frau zu schwer und nicht mehr leicht tragbar. Sie beschuldigt die Geißelnden und sagt, sie werde ihretwegen bedrückt. So ist es dem Kultbild von den Opfern in Tauris her geblieben, sich immer noch an Menschenblut zu freuen.   (5a)

Für die Volksmenge, die von Pilatus Christi Kreuzigung verlangt, ist sein Tod ein Menschenopfer, mit dem Gott versöhnt werden soll, von dem man sich segensreiche Wirkung verspricht. Als Teilnehmer an diesem Opfer wollen die Juden vom Blut des Geopferten besprengt werden. Ebenso wünscht Shylock seine „deeds“, Antonios zu vergießendes Blut, auf sein Haupt, weil Antonio ein Menschenopfer ist, das Shylock darbringt. Das Motiv des Segen bringenden Besprengens mit dem Opferblut eines aus dem Weg geräumten Rivalen findet sich bei Shakespeare auch im Königsdrama Richard II. Der Usurpator Bolingbroke hat König Richard gestürzt, einkerkern und schließlich ermorden lassen. Nach der Beseitigung des Feindes empfindet er nicht nur Erleichterung, sondern auch Schuld und äußert:

Lords, I protest, my soul is full of woe,
That blood should sprinkle me to make me grow

In einer archaischen Tiefenschicht seiner Seele sieht Bolingbroke den Getöteten als Menschenopfer, dessen vergossenes Blut ihn bespritzt hat und zu seinem Florieren und Prosperieren als Herrscher beiträgt (6); wie Antonio im Kaufmann von Venedig wird auch Bolingbrokes Opfer König Richard II. mit dem am Kreuz geopferten Christus identifiziert (7).
Die Ermordung des gestürzten Königs vergleicht Bolingbroke wenige Zeilen vorher mit dem Verbrechen Kains, der seinen Bruder Abel erschlug. Kains Mordtat wird von Bolingbroke nicht nur am Ende, sondern auch am Anfang des Dramas zur Sprache gebracht, als er im Brustton moralischer Entrüstung den Mord an Herzog Gloucester, den er seinem Widersacher Mowbray vorwirft, mit dem Verbrechen an Abel vergleicht:

And consequently, like a traitor coward,
Sluiced out his innocent soul through streams of blood:
Which blood, like sacrificing Abel’s, cries,
Even from the tongueless caverns of the earth,
To me for justice and rough chastisement                    (I,1)

Wir wiederholen: Abels Tötung lässt sich als Menschenopfer deuten, das Kain der Mutter Erde darbringt. Dass es sich um ein Blutopfer an die Erde handelt, lässt sich auch aus dem Tatort schließen. Kain geht mit Abel aufs Feld und erschlägt ihn dort: Das Opfer gilt Kains Acker. Es soll ihn günstig stimmen, damit er fruchtbar ist und dem Ackermann gute Ernte beschert. Shakespeares biblische Anspielung auf Abels Opferung durch Kain unterstützt die Deutung, dass Bolingbroke Richards Beseitigung in seinem Unterbewusstsein als unchristlich-barbarisches und deshalb verpöntes Blutopfer an die Erde empfindet, damit sie sich fruchtbar erweist und ihn wachsen lässt – „to make me grow“. Damit dieses Bild funktioniert, muss man sich Bolingbroke als Pflanze vorstellen, die in der englischen Heimaterde verwurzelt ist und durch das Blut des ermordeten Widersachers gleichsam gedüngt wird (7a). Solch eine Vorstellung bietet sich in der Tat an, denn Shakespeare vergleicht mächtige Engländer, die Stützen der Königsmacht sind (oder sein sollen), gerne mit Bäumen, zum Beispiel in Richard II. in der Gartenszene III,4 oder in Macbeth, wo König Duncan zu dem zum Than beförderten Macbeth sagt:

Welcome hither:
I have begun to plant thee, and will labour
To make thee full of growing.                          (I,4,27ff.)

Zurück zum Kaufmann von Venedig!
Shylocks Blutruf "My deeds upon my head!" ist auch seine Antwort auf Portias Appell an sein Gefühl für "mercy". Diese "mercy", die sie bei ihm vermutet, vergleicht sie mit einem "gentle rain from heaven", der segnet ("blesseth"), worauf er fällt. Zugrunde liegt ihrem Vergleich die uralte Vorstellung vom Regen, der die Pflanzen wachsen und gedeihen lässt und deshalb als segensreiche Gabe des Himmelsgottes gilt. Diese Vorstellung von einer Flüssigkeit, die segnet, worauf sie tropft, wird von Shylock im Subtext seiner Antwort aufgenommen: Eine segnende Wirkung verspricht er sich allerdings, aber nicht von "mercy", sondern von seinen "deeds", zu denen Antonios Blut gehört, das zu vergießen er sich anschickt.

Zu einem Menschenopfer gehören mindestens zwei: einer, der opfert, und einer, der geopfert wird – Täter und Opfer. Im Kaufmann von Venedig ist der Täter Shylock und Antonio sein Opfer. Die Initiative zur barbarischen vorchristlichen Bluttat geht, wie es scheint, allein vom teuflischen Shylock aus, dessen Beute der schuldlose Antonio ist. Aber ist das so einfach? Sieht solch eine Schwarzweißmalerei Shakespeare ähnlich?

Die Shakespeareforschung hat festgestellt, dass Antonio, dem Shylock ein Pfund Fleisch herausschneiden darf, der also bereit ist, für seinen Freund Bassanio sein Blut zu vergießen, sein Leben zu opfern, Christus gleicht, der für die Menschheit am Kreuz gefoltert wird und sein Leben hingibt (8). Christi Opfertod lässt sich als Menschenopfer deuten, als letztes Menschenopfer, das die gesamte Schuld der Menschheit begleicht, damit weitere Menschenopfer überflüssig macht und diese barbarische Sitte ein für alle Mal beendet.
Die Theologie sieht Christi Opfertod in enger Verbindung mit der Erzählung von Abraham, vom dem Gott seinen Sohn Isaak als Opfer verlangt, sich dann aber mit einem Widder begnügt – das Menschenopfer wird durch ein Tieropfer ersetzt und damit ein barbarisches menschenverachtendes Ritual abgeschafft, was zur Zivilisierung der Menschen beiträgt.
Diese Ersetzung des Menschenopfers durch das Tieropfer macht Shakespeare an einer Schlüsselstelle seines Merchant rückgängig, denn Antonio ist innerlich bereit zu sterben und fühlt sich zum Opfertier bestimmt (8a):

I am a tainted wether of the flock,
Meetest for death, - the weakest kind of fruit
Drops earliest to the ground, and so let me                                  IV,1,114ff.

Warum ist Antonio bereit zu sterben? Weil er sich schuldig fühlt, „tainted“, also mit einem Makel behaftet, einem seelischen Makel, der einer schweren Schuld gleichkommt, von moralischer Fäulnis befallen (9). Worin dieser taint, diese Verdorbenheit besteht, klären wir später und begnügen uns zunächst mit der Feststellung, dass Antonio sein Leben zu verlieren bereit ist, um Schuld zu sühnen; seine Todesbereitschaft fließt aus einem Schuldgefühl und dazu gibt es Parallelen. Bei Aischylos wird Orest, der seine Mutter ermordet hat und deshalb vernichtenden Schuldgefühlen ausgesetzt ist, von den Verkörperungen dieses Schuldgefühls, den Erinnyen, antiken Rachedämonen, verfolgt und als Opfertier angeredet:

Nein, büßen musst du’s; vom Lebendgen schlürfen wir
Rotfließend aus dem Leib den Opfertrank; von dir
Hol ich mir Sättigung: Missgetränks Trunk um Trunk!Du, mir gemästet und als Opfertier geweiht,
Wirst lebend Mahl mir, nicht geschlachtet am Altar!        (10)  

Bei Goethe, der diesen mythologischen Stoff in seiner Iphigenie auf Tauris dichterisch umgesetzt hat, hat Orest seine Bestimmung zum Menschenopfer wie Antonio verinnerlicht und sehnt sich nach einem entsühnenden Tod:

Soll ich     …
Als Opfertier im Jammertode bluten:
So sei es!                                      576ff.

Ich bin Orest! und dieses schuld’ge Haupt
Senkt nach der Grube sich und sucht den Tod;
In jeglicher Gestalt sei er willkommen!         1082ff.

Nicht nur aus endogenen Gründen, weil er dieses kaum bezwingbare Schuldgefühl hat, wirft der drohende Opfertod seinen Schatten auf Orests Seele, sondern auch auf Grund der äußeren Umstände, in denen er sich befindet: Er ist in die Hände eines barbarischen skythischen Stammes gefallen, der noch Menschenopfer praktiziert und ihn zur Opferung bestimmt hat – Innen und Außen wirken zusammen, Orest hat sich in sein Schicksal ergeben und fantasiert seine rituelle Schlachtung und seinen daran anschließenden Abstieg in die Totenwelt so intensiv, dass er es wirklich zu erleben glaubt:

Gut, Priesterin! Ich folge zum Altar:                                     1228

Ja, schwinge deinen Stahl, verschone nicht (11),
Zerreiße diesen Busen und eröffne
Den Strömen, die hier sieden, einen Weg!
(Er sinkt in Ermattung.)                                                           1252ff.

Diese obsessive Identifizierung des Goethe‘schen Orest mit einem Opfertier, das geschlachtet werden soll, kann einem pathologisch erscheinen – es ist aber nicht krankhaft, weil es seelische Gesundung bewirkt. Das intensive innere Erleben des eigenen Todes als Menschenopfer führt zur seelischen Katharsis: Von seinen Schuldgefühlen, die ihn gequält und in eine passiv-masochistische Opferhaltung gedrängt haben, die bei ihm jenen Trieb mobilisiert haben, den Sigmund Freud Todestrieb oder Destruktionstrieb genannt hat, von diesen Schuldgefühlen wird Orest befreit, gewinnt seine Tatkraft zurück und ist wieder auf seine Rettung bedacht – Menschenopfer, auch wenn sie nur fantasiert werden, wirken offenbar gegen Schuldgefühle.
Die Identifizierung des Menschen mit einem Tieropfer, das ein ursprüngliches Menschenopfer ersetzt, ist archetypisch, das heißt, eine allen Menschen angeborene seelische Vorstellung und Sehnsucht, und findet sich deshalb nicht nur in alten Stücken von Aischylos, Shakespeare oder Goethe, sondern auch in religiösen Riten der Gegenwart: Die Islamkritikerin Necla Kelek schildert in ihrem Buch Die verlorenen Söhne, S. 167, was sie auf einem türkisch-islamischen Opferfest beobachtet hat:

Ich stand am Fenster im ersten Stock und sah zu. Als die Grube fertig war, brachten die Männer das Tier zu Fall, einer von ihnen sprang hinzu und durchtrennte die Halsschlagader. Das Tier zappelte und zuckte, bis zwei Männer auf seinen Körper stiegen und so lange mit den Knien wippten, bis das Blut aus dem Rind in einem dicken Schwall in die ausgehobene Kuhle floss und einen roten See entstehen ließ. …  Dann begannen die Männer, mit Messern und Beilen den riesigen Kopf vom Körper zu trennen, und legten das Haupt in den Rinnstein der Straße. Die Kinder hatten sich das Schauspiel nicht entgehen lassen, und niemand hatte sie gehindert, dem grausigen Spektakel zuzuschauen. Jetzt wurden die Jungen mutiger und wagten, sich dem Kopf zu nähern, umkreisten ihn und imitierten die aufgerissenen Augen des Tieres, um ihre Schwestern zu erschrecken.

Eine Schlüsselstelle ist der letzte Satz des Zitats: Die Jungen sind Abrahams Söhne (12), sie identifizieren sich mit dem geopferten Rind. Die Darstellung durch die Frauenrechtlerin Kelek legt nahe, das Verhalten der Söhne als mutwilliges Erschrecken der Mädchen zu verstehen, als Ausdruck männlicher Fühllosigkeit und Brutalität, die von den schlachtenden Vätern, die sich dabei „als Herren über Leben und Tod“ fühlen, auf die Söhne abfärbt. In Wirklichkeit ist es Ausdruck religiöser Demut: In der Tiefe der Seele aller Teilnehmer an solch einem Opferfest schlummert noch die Überzeugung, dass Gott so erzürnt über die menschliche Sündhaftigkeit ist, dass ihn eigentlich nur die Opferung der Söhne beschwichtigen kann – doch in seiner Gnade begnügt er sich mit einem Tier. Ein Abglanz von dem archaischen Leid und Entsetzen des Vaters, der seinen Sohn opfert, erleben aber noch die Schwestern, die von ihren das Opfertier imitierenden Brüdern erschreckt werden – dieser Schmerz und dieser Schauder gehören dazu, denn das Wesen jeden Opfers besteht im Verzicht, im leidvoll empfundenen Verlust.
Schmerz und Entsetzen über den (bevorstehenden) Tod eines geliebten Menschen prägen auch die Gerichtsszene IV,1 in Shakespeares Kaufmann von Venedig, in der Antonio als Opfer bereitgehalten wird für Shylock, der sich sein Pfund Fleisch aus seinem Körper herausschneiden will – Antonios Freund Bassanio ist so erschüttert, dass er schwach wird und einen Rückzieher von seiner Brautwerbung um Portia machen will:

Antonio, ich bin mit einer Frau verheiratet, die mir so teuer ist wie das Leben selbst; doch das Leben selbst, meine Frau und die ganze Welt schätze ich nicht höher ein als dein Leben. Ich würde gern alle verlieren, ja, sie alle opfern (sacrifice them all) diesem Teufel hier, dich zu befreien.                         IV,1,278ff.     (Übersetzung: B. Puschmann-Nalenz / Reclam)

Im Gegensatz zu dem Muttermörder Orest erscheint Antonio in Shakespeares Kaufmann von Venedig als moralisch integre Figur – welch unheimliches Schuldgefühl treibt ihn also dazu, sich zum Menschenopfer bestimmt zu fühlen?
Untersucht man das Antagonistenpaar Antonio-Shylock psychoanalytisch, trübt sich das Bild des ehrbaren christlichen Kaufmanns, wenn man ihn von Shylock her ausleuchtet. Zu dessen hässlichen Charakterzügen gehört seine Besitzfixiertheit, die sich auch auf seine Tochter Jessica erstreckt. Das Mädchen ist flügge, will heiraten und Kinder haben, doch Shylock will sie an sich binden und zu Hause einsperren, sie behandeln wie eine Sache, einen Wertgegenstand, sie bei sich bunkern wie seine Dukaten und Juwelen. Da ist Antonio in seinem Verhalten das Gegenteil, denn den jungen Bassanio, den er liebt wie ein Vater seinen Sohn, und der ebenfalls flügge ist und heiraten will, hindert er nicht nur nicht daran, sondern unterstützt ihn auch noch uneigennützig mit Geld, damit er standesgemäß um Portia freien kann. Und doch: Bassanios Heiratspläne haben Antonio in eine Depression gestürzt, und eine Depression ist immer Folge eines unbewältigten Verlustes, zu einer Depression gehören immer heftige Aggressionen gegen das geliebte Objekt, das verloren gegangen ist oder verloren zu gehen droht (13). Tief in seinem Unterbewusstsein würde er Bassanio gerne auf aggressive Weise als seinen Besitz behandeln und nicht gehen lassen, so dass Shylock, der das gerne mit seiner Tochter täte, Antonios bösen, verdrängten Seelenanteil verkörpert, in der Sprache C.G.Jungs sein Schatten ist. Deshalb fühlt er sich „tainted“, und sein Schuldgefühl treibt ihn wie Orest in die Rolle des Menschenopfers.
Antonios Strafbedürfnis (14) lässt sich mit Freud als „moralischer Masochismus“ erklären, der dadurch zustandekommt, dass der Todes- oder „Destruktionstrieb wieder nach innen gewendet wurde und nun gegen das eigene Selbst wütet“ (15). Dieses unbewusste Strafbedürfnis hat Antonio in die Rolle des Beinahe-Menschenopfers geführt, die Shylocks Sadismus ihm angeboten hat. Leid und Todesangst, die Antonio in der Schuldhaft und besonders in der Gerichtsszene angesichts seiner Verstümmelung durchlebt, dienen der Selbstbestrafung und wirken wie das von dem Goetheschen Orest fantasierte rituelle Geschlachtetwerden
und der fantasierte Abstieg in den Hades kathartisch – das Schuldgefühl wird abgebüßt und Antonio am Schluss des Dramas seelisch wieder gesund.

Sadismus (Shylock) und Masochismus (Antonio) bringt Freud also mit dem von ihm postulierten Todestrieb zusammen:
Ein Mensch kann sich von seinem Todestrieb, der in ihm mit dem Ziel der Selbstzerstörung wirkt, ihn zur Selbstauflösung, zum Zerfall treibt, entlasten, indem er ihn nach außen wendet. Richtet sich dieser zerstörerische Trieb dann aggressiv gegen Objekte der Außenwelt, sieht Freud in ihm Sadismus und nennt ihn Destruktionstrieb. Wird dieser Destruktionstrieb aus irgendeinem Grund gehindert, sich gegen äußere Objekte zu entladen, so bleibt er im Inneren oder wendet sich wieder nach innen mit dem ursprünglichen Ziel der Selbstzerstörung und wird von Freud als moralischer Masochismus gesehen (16).
Die Instanz in der Seele, in deren Diensten dieser Trieb gegen das eigene Selbst wütet, ist für Freud das Gewissen, ohnehin eine Instanz, die streng gegen Ich und Es eingestellt und diese hart zu bestrafen gewohnt ist. Freud sieht also das Gewissen oder Über-Ich in engem, organischen Zusammenhang mit dem Todestrieb, und diese Sichtweise passt auch auf Antonio, dessen Schuldgefühl, dessen Wunsch nach Selbstbestrafung ihn in die Rolle des Menschenopfers getrieben hat – sehen wir uns noch einmal die Schlüsselstelle an, in der er sich als Opfertier bezeichnet:

I am a tainted wether of the flock,
Meetest for death, - the weakest kind of fruit
Drops earliest to the ground, and so let me                               IV,1,114ff.

Antonio sieht sich als moralisch angefault (tainted), als “schwächste Frucht”, deren Bestimmung es ist, abzufallen und am Boden zu verwesen – aus diesem Bild spricht der Todestrieb, der im Kreislauf des Werdens und Vergehens in der Natur mitwirkt.
Abfallende Pflanzenteile als Symbole für Menschen, deren Tod zum natürlichen Kreislauf des Lebens gehören, kennt auch Homer:

Gleich wie Blätter im Walde, so sind die Geschlechter der Menschen / Einige streuet der Wind auf die Erd‘ hin, andere wieder / Treibt der knospende Wald, erzeugt in des Frühlings Wärme: / So der Menschen Geschlecht, dies wächst und jenes verschwindet.      (17)

Auch aus diesem Bild spricht der Todestrieb, der in den Blättern wirkt, indem er sie welken und abfallen lässt. Dass Lebewesen sterben, ist Voraussetzung für die Entstehung neuen Lebens. Verwelkte Blätter lassen sich vom Wind von den Bäumen reißen, um Platz an der Sonne für neue zu schaffen. Nur so kann der Baum sich verjüngen und jedes Frühjahr seine Wiedergeburt erleben. Die alten Blätter vermodern und kehren als Dünger in den Kreislauf der ewig sich erneuernden Natur zurück.
Abfallende Blätter hatten auch die Biologen J.F.R. Kerr,  A.H. Wyllie A.R. Currie vor Augen, als sie den Begriff Apoptose für den programmierten Zelltod prägten:

We are most gratefull to Professor James Cormack of the Department of Greek, University of Aberdeen, for suggesting this term. The word “apoptosis” (ἀπόπτωσις) is used in Greek to describe the “dropping off” or “falling off” of petals from flowers, or leaves from trees.      (18)

Programmierten Zelltod oder Apoptose nennen die Biologen den Zerfall verbrauchter, infizierter oder beschädigter Zellen, also ihren Tod, der nach einer bestimmten Zeit von einem jeder Zelle innewohnenden genetischen Programm bewirkt wird. Da durch Zellteilung ständig neue junge Zellen in großer Zahl entstehen, müssen alte verbrauchte oder kranke Zellen verschwinden. Ich habe in Biologie keine Fachkenntnisse, aber vielleicht ist es trotzdem nicht allzu abenteuerlich, diese Apoptose, die eine unverzichtbare Rolle in der Erneuerung der Zellpopulation in einem gesunden Organismus spielt, als Todestrieb zu bezeichnen, der innerhalb jeder Zelle wirkt, und die Hypothese in den Raum zu stellen, dieser programmierte Zelltod könnte biologisch-physiologische Grundlage des von Freud postulierten Todestriebes sein. Dazu einige Zitate aus Lehrbüchern und dem Internet zum Thema Apoptose:

Um im Gewebeverband zu überleben, muss eine Zelle permanent Signale aus ihrer Nachbarschaft empfangen … Ein Sichabkoppeln ist wohl ein Anzeichen „unsozialer Absichten“, die für den Gesamtorganismus gefährlich werden könnten, sodass dann die Tötung einer solchen Zelle eingeleitet wird. Der sog. „programmierte Zelltod“ (vergleichbar mit dem freiwilligen Aus-dem-Leben-Scheiden eines unheilbar Kranken) wird in mehreren Instanzen streng überwacht.                                                              (19)

Ursprünglich hat sich die Apoptose vermutlich in den einfachsten vielzelligen Lebewesen entwickelt, um defekte Zellen zu entsorgen. Die Apoptose kann zum Beispiel eingeleitet werden, wenn der ATP-Spiegel in der Zelle unter einen kritischen Wert fällt, weil das wohl ein Zeichen dafür ist, dass mit der Zelle entschieden etwas faul ist.         (20)

Der programmierte Zelltod ist ein spezifisches Selbstmordprogramm, das binnen weniger Stunden zur kompletten Elimination der betroffenen Zelle führt. Das aus dem Griechischen stammende Wort bezeichnet das Fallen der Blätter im Herbst und gibt damit einen bildlichen Vergleich für das altruistische Absterben einzelner Zellen zum Wohle des Gesamtorganismus. …
Beim Erwachsenen tritt diese Elimination in allen Geweben mit hohem Zellumsatz auf, da alte und funktionsunfähige Zellen beseitigt werden müssen, um Platz für neu gebildete zu machen…                                                               (21)

Der Vergleich von Menschen mit Blättern, deren Bestimmung es ist, abzufallen, also zu sterben, findet sich auch bei der großen russischen Dichterin Marina Zwetajewa, als sie über die todessüchtige Stimmung in Puschkins Drama Das Gelage während der Pest schreibt:

Vorausgesetzt (was damals alle glaubten, was auch wir glauben, wenn wir Puschkin lesen), dass die Pest von Gott gewollt ist zu unserer Bestrafung und Unterwerfung, also tatsächlich eine Geißel Gottes.
Wir stürzen uns unter die Geißel wie Laub unter den Sonnenstrahl, wie Laub unter den Regen. Nicht Freude an Belehrung, sondern Freude am Schlag. Reine Freude am Schlag als solchem.                                        (22)

Todgeweihte sündige Menschen werden von der Pest als Geißel Gottes dahingerafft wie Laub von Sonnenhitze und Wind, die ihm zusetzen, es mürbe machen, bis es abfällt, und etwas in uns Menschen heißt diese tödliche Einwirkung gut – moralischen Masochismus und Todestrieb offenbart diese apoptotische Fantasie in ihrer organischen Zusammengehörigkeit.
Das gilt auch für Ovids Schilderung, wie Agaue in bacchantischem Taumel zusammen mit anderen Mänaden ihren eigenen Sohn Pentheus tötet:

Ja, schon hat er Angst, schon spricht er weniger gewalttätige Worte, schon verurteilt er sich selbst, schon bekennt er, dass er sich versündigt hat … sie … reißt dem Bittenden den rechten Arm ab, den anderen zerfetzt Ino mit heftigem Ruck. Der Unselige hat keine Arme mehr, um sie seiner Mutter entgegenzustrecken, doch zeigt er ihr die verstümmelten Wunden ohne die am Boden liegenden Glieder. „Sieh mich an, Mutter.“ Bei dem Anblick heulte Agaue auf, warf den Kopf in den Nacken und ließ das Haar im Winde flattern.  Das abgerissene Haupt mit blutigen Fingern umklammernd, ruft sie: „Hurra, meine Gefährtinnen, dieses Werk habe ich siegreich vollbracht.“ Der Wind reißt das Laub, das, vom herbstlichen Frost angegriffen, kaum noch an den Zweigen haftet, nicht schneller vom hohen Baume herab, als die Glieder des Mannes von frevlerischen Händen zerrissen wurden.                          (23)

Pentheus muss im griechischen Mythus sterben, weil er sich der Einführung des ekstatischen Dionysoskultes widersetzt – solch ein Widerstand gegen die Verehrung eines Gottes galt als Frevel und Pentheus‘ Tod als Strafe dafür (24), Pentheus empfindet angesichts seines Todes Schuldgefühle und verurteilt sich selbst, aber zu spät. Der Todgeweihte wird mit Laub verglichen, dessen Bestimmung es ist, abzufallen, und seine Mutter mit dem Wind, der es vom Baum reißt – zu diesem apoptotischen Gleichnis wurde Ovid vom Todestrieb, der im Auftrag des Gewissens strafend gegen das Selbst wütet, inspiriert.

Erneuerung durch Auswechselung, das heißt, dass verbrauchte Zellen oder Blätter neuen Zellen oder Blättern Platz machen, ist ja in Shakespeares Kaufmann von Venedig ebenfalls Thema, und zwar bezogen auf die Familie, was ich durch einen griechischen Mythos zu erklären versuche:
Die junge Danae wurde von ihrem Vater Akrisios in einem gruftartigen Verließ gefangengehalten, weil ihm ein Orakel prophezeit hatte, dass ihr Sohn ihn töten wird. Doch Zeus dringt in Gestalt eines Goldregens zu ihr durch und schwängert sie, und Perseus, den sie zur Welt bringt, tötet ihren Vater. Der Mythos ist als Gleichnis zu verstehen. Akrisios versündigt sich, weil er durch Einsperren seiner Tochter den Lauf der Natur aufhalten will: Dass sie sich einen Mann nimmt und Kinder bekommt, wodurch es zu einer Auswechselung kommt: Der Vater hört auf, der wichtigste Mann im Leben seiner Tochter zu sein, weil er in dieser Rolle abgelöst wird erst vom Ehemann und dann vom Sohn. Gegen dieses natürliche Schicksal stemmt sich auch Shylock, der seine Tochter Jessica gerne bei sich zu Hause einsperren würde wie seine Wertsachen, so dass sie zur Unfruchtbarkeit verurteilt wäre wie seine Gold- und Silbermünzen, die steriles Edelmetall sind. Shylock verhält sich widernatürlich, er versündigt sich gegen die Natur, zu der steter Wandel, Werden und Vergehen, gehört.
Aber auch Antonio, dessen Schatten Shylock ist, würde gerne seinen wie einen Sohn geliebten Bassanio an sich ketten und ihn an Heirat und Familiengründung hindern. Damit bringt er sein Gewissen gegen sich auf, das seinen Todestrieb mobilisiert. Denn jedes Lebewesen schuldet der Natur seinen Tod. Wird eine Tochter flügge und verlässt ihren Vater, entthront sie ihn, indem sie ihn durch Heirat der Rolle des wichtigsten Mannes in ihrem Leben beraubt, und macht sie ihn gar durch Geburt von Enkeln zum Opa, so fügt sie ihm eine schwere narzisstische Kränkung zu, weil er den Lauf der Zeit, die Vergänglichkeit, zwar noch nicht den Tod, aber sein Näherrücken, zu spüren bekommt – einen Vorgeschmack des Todes. Das gilt auch für Shylock, und weil Jessica ihn nicht nur verabscheut, sondern auch liebt – er ist nun einmal ihr Vater – hat sie, weil sie ihn durch ihr Flüggewerden sein Älterwerden spüren lässt, Gewissensbisse und sähe sich gerne in der Rolle der Magierin Medea, die mit Zauberkräutern ihren Schwiegervater Aeson, dem sie den Sohn Iason ausgespannt hat (wie Portia dem Antonio den Bassanio) verjüngt:

In such a night
Medea gathered the enchanted herbs
That did renew old Aeson.              (V,1,12ff.)

Schlüsselsymbole sind im letzten Akt des Dramas die Sterne am nächtlichen Himmel, die mit Patenen verglichen werden:       

Sit, Jessica, - look how the floor of heaven
Is thick inlaid with patens of bright gold,        (V,1,58f.)

Was symbolisieren die Patenen? Patene heißt die Schale aus Edelmetall, auf der bei der Eucharistie die Oblate, der Leib Christi, gereicht wird; die Oblate verwandelt sich dabei in Christi Fleisch. Christus, der für die sündige Menschheit den Opfertod gestorben ist, ist ein Menschenopfer wie Antonio es zu werden drohte, der sich für Bassanio opferte. Die Patene nun symbolisiert, dass ein Beinahe-Opfer (wie das Isaaks durch Abraham) stattgefunden hat. Denn Antonio war in der Rolle des Menschenopfers. Zwar wurde er zum Schluss doch nicht geschlachtet, hat aber Angst und Verzweiflung eines zum Opfer bestimmten Menschen durchlitten. In Shakespeares Bild gehören die Patenen zum Fußboden des Himmels. Der Mensch, der geopfert wurde und nun im Himmel wohnt, befindet sich also auf den Patenen wie das Fleisch Christi in der Eucharistie. Nun aber ist Antonio nicht in den Himmel gekommen, sondern weilt noch unter den Lebenden auf Erden. Doch die Patene spielt auf Christus an, dem Antonio nachgeeifert hat. Christi Opfertod aber hat Gottes Zorn über die sündige Menschheit beschwichtigt, dadurch Menschenopfer ein für alle Mal überflüssig gemacht und die Versöhnung des Menschen mit Gott ermöglicht. Eingebettet ist deshalb das Symbol der Patene in eine hochpoetische Schilderung himmlischer Sphärenharmonie, denn durch Christi Opfertod und Antonios Bereitschaft zur Nachahmung ist die gestörte Harmonie des Kosmos, der Natur, wiederhergestellt. 

Verweist die Patene, deren Bestimmung es ist, die Hostie zu tragen, auf Christus als Menschenopfer und deshalb indirekt auch auf Antonio, der in der Christus-Rolle des Menschenopfers zwar nicht gestorben ist, aber gelitten hat, so lenkt dieses Bild die Aufmerksamkeit auf eine andere Stelle, in der es ebenfalls um Antonios zur Opferung vorgesehenen Leib geht: In III,2 erhält Bassanio in Belmont von Antonio einen Brief, aus dem er erfährt, dass sein väterlicher Freund Shylock ausgeliefert ist, und erklärt Portia:

Here is a letter, lady,
The paper as the body of my friend,
And every word in it a gaping wound
Issuing life-blood.

Der Vergleich des Papiers mit der Oblate, die für Antonios Leib steht und bald als Shylocks Opfer zu bluten droht, drängt sich auf (25). Und es ist möglich, dass Shakespeare auch mit diesem Vergleich antisemitische Vorurteile seiner Zeitgenossen bedienen wollte. Denn Hostien, die von Juden zum Bluten gebracht werden, gehörten oft in die damaligen Erzählungen von angeblichen Ritualmorden und Hostienfreveln, die den Juden zugeschrieben wurden und Vorwände für Pogrome abgaben. Ein Beispiel ist die Ballade Die Juden in Passau, die in die Sammlung Des Knaben Wunderhorn aufgenommen worden ist. Juden bringen sich in Besitz einer Hostie und stechen sie mit Messern, so dass sie blutet:

Die Juden ließens zum Tempel,
Bald tragen auf den Altar,
Ein Messer sie auszogen,
Und stachen grimmig drein.

Bald sahen sie herausfließen,
Das Blut ganz mild und reich,
Gestalt sich sehen ließe,
Eim jungen Kindlein gleich.

Wie lassen sich solche Fantasien deuten? Ein Versuch: Die Oblate steht für Christus, der am Kreuz als Opfer blutete, als letztes Menschenopfer, das Gott für immer mit der Schlechtigkeit der Menschen versöhnt, dadurch alle weiteren Menschenopfer überflüssig macht und diese barbarische Sitte für immer beendet, so dass die Menschheit zivilisierter wird. Die Fantasie vom Blutigstechen der Hostie, des Fleisches Christi, fließt aus dem verdrängten Wunsch nach Rückfall in das grausame Ritual und wird von den Christen auf die Juden, die schon immer als Sündenböcke dienten, projiziert. Projektion definiert die Psychoanalyse als Abwehrmechanismus. Man entlastet sich selbst von unbewussten quälenden Schuldgefühlen und Selbstbestrafungstendenzen, indem man eigene böse und ins Unterbewusstsein verdrängte Wünsche auf andere Menschen, oft auf Minderheiten, projiziert und sie dafür hasst und bestraft. So lässt sich auch die Ritualmordlegende deuten. Alan Dundes sieht als ihre Grundlage in seiner fundierten Darstellung den verdrängten Wunsch der Christen nach Bluttrinken, also nach Kannibalismus, wofür sie ein Opfer brauchen, also einen Menschen töten wollen. Ihre verdrängten Wünsche nach Mord und Kannibalismus, die in der Eucharistie nur symbolisch befriedigt werden, projizieren die Christen auf die Juden, die sie dafür zur Strafe verfolgen und in Pogromen ermorden. „For the commission of an aggressively cannibalistic act, participants in the Eucharist would normally feel guilt, but so far as I am aware, no one has ever suggested that a Catholic should ever feel any guilt for partaking of the Host. Where is the guilt for such an act displaced? I submit it is projected wholesale to another group, an ideal group for scapegoating. By means of this projective inversion, it is not we Christians who are guilty of murdering an individual in order to use his blood for ritual religious purposes (the Eucharist), but rather it is you Jews who are guilty of murdering an individual  in order to use his or her blood for ritual religious purposes, making matzah. The fact that Jesus was Jewish makes the projective inversion all the more appropriate. It is a perfect transformation: Instead of Christians killing a Jew, we have Jews killing a Christian.” (25a)
Auch wir deuten die Ritualmordlegende als Projektion, sehen aber in den verfemten und verdrängten Wünschen, die von den Christen auf die Juden projiziert werden, nicht (nur) Kannibalismus, sondern (auch) Sehnsucht nach Rückkehr zur barbarischen Sitte des Menschenopfers, durch das ein archaischer Gott beschwichtigt und quälende Strafangst, die aus Schuldgefühlen fließt, vermindert wird.

Eine Hostie, die von Juden zum Bluten gebracht wird, ist auch Thema des mittelenglischen Schauspiels The Croxton Play of the Sacrament (26). In diesem Mysterienspiel verwandelt sich die blutig gestochene und noch anderweitig misshandelte Hostie zurück in Christus, der den Juden erscheint (und sie zur Reue und zur Konversion bewegt) – Beweis, dass die Oblate für Christus als Menschenopfer steht. In Des Knaben Wunderhorn verwandelt sich die gefolterte Hostie in ein Kind, denn das eigene Kind wurde früher oft geopfert, weil es ein besonders schmerzlicher Verzicht, also ein besonders wertvolles Opfer war (man denke an die biblische Erzählung von Abraham und Isaak).
Um ein Menschenopfer geht es auch in der von den Brüdern Grimm überlieferten Sage Der Judenstein:

Im Jahre 1462 ist es zu Tirol im Dorfe Rinn geschehen, daß etliche Juden einen armen Bauer durch eine große Menge Geld dahin brachten, ihnen sein kleines Kind hinzugeben. Sie nahmen es mit hinaus in den Wald und marterten es dort auf einem großen Stein, seitdem der Judenstein genannt, auf die entsetzlichste Weise zu Tod. Den zerstochenen Leichnam hingen sie darnach an einen unfern einer Brücke stehenden Birkenbaum. Die Mutter des Kindes arbeitete gerade im Feld, als der Mord geschah; auf einmal kamen ihr Gedanken an ihr Kind, und ihr wurde, ohne daß sie wußte warum, so angst; indem fielen auch drei frische Blutstropfen nacheinander auf ihre Hand. Voll Herzensbangigkeit eilte sie heim und begehrte nach ihrem Kind. Der Mann zog sie in die Kammer, gestand, was er getan, und wollte ihr nun das schöne Geld zeigen, das sie aus aller Armut befreie, aber es war all in Laub verwandelt. Da ward der Vater wahnsinnig und grämte sich tot, aber die Mutter ging aus und suchte ihr Kindlein, und als sie es an dem Baum hängend gefunden, nahm sie es unter heißen Tränen herab und trug es in die Kirche nach Rinn. Noch jetzt liegt es dort und wird vom Volk als ein heiliges Kind betrachtet. Auch der Judenstein ist dorthin gebracht. Der Sage nach hieb ein Hirt den Baum ab, an dem das Kindlein gehangen, aber als er ihn nach Haus tragen wollte, brach er ein Bein und mußte daran sterben.

Was hier auf die Juden projiziert wird, ist altgermanischer Baumkult durch Menschenopfer. Unsere Vorfahren verspürten dem Wald gegenüber heilige Scheu, Bäume waren für sie numinose Wesen, und Menschen, die ihnen als Opfer geweiht waren, wurden an ihnen befestigt, oft durch Annageln, was ja auch mit Christus geschah, denn das Kreuz, das Marterholz, an das er geschlagen wurde, war ursprünglich ein Baum (27) – ausführlicher dazu hier.
Die Ritualmordlegende um Anderl von Rinn hat den österreichischen Lyriker Johann Gabriel Seidl (1804-1875) zu einer Ballade angeregt, aus der zwei Strophen zitiert seien:

Tragen’s in den Waldesraum
Zu dem hohen Birkenbaum,
Wo sie’s, wie es bitt‘ und weine,
Schlachten auf bemoostem Steine.

Und sie waschen wohlgemuth
Sich die Händ‘ in seinem Blut,
Dass, gebeizt von solcher Laugen,
Besser sie zum Wucher taugen!                                       (28)

Die Vorstellung, dass die Juden körperliche Berührung mit dem Blut ihres Opfers anstreben (weil sie sich davon eine segensreiche Wirkung versprechen), prägt auch die Legende von einem anderen angeblichen jüdischen Ritualmord – an Simon von Trient:

Gaudent immanissimae ferae rivulos invisi sanguinis toto corpore scaturientes aspicere et commaculari miserabili aspersione gestiunt

Es freuen sich die unmenschlichen Bestien, die vom ganzen Körper träufelnden Bächlein des verhassten Blutes zu schauen und wünschen von demselben besprengt zu werden – erbärmliche Besprengung!                                                               (29)

Solche Vorstellungen vom Besprengen durch Opferblut beweisen, dass Ritualmordfantasien im Grunde Menschenopferfantasien sind, die - so unsere Hypothese - von den Menschen des Mittelalters und der Neuzeit (29a) auf die Juden projiziert wurden, weil die christliche Religion und die Normen der Zivilisation grausame Rituale aus heidnischer Vorzeit ächten. Trifft diese Deutung zu, erklärt sie vielleicht auch, warum in der Andreas-von-Rinn-Legende der Mutter Blut auf die Hand tropft (30): Es ist ihr verdrängter und aus dem Unterbewusstsein heraus wirkender Wunsch, ihr Kind zu opfern (wie Abraham den Isaak) und durch Besprengung mit seinem Blut in den Genuss einer Segenswirkung zu gelangen - diese Mutter repräsentiert die Christen, die von Christi Opfertod am Kreuz profitieren, weil ihnen dadurch die Möglichkeit zur Erlösung eröffnet wird, wobei sie die Schuld den Juden zuschoben und sie als Volk der Gottesmörder mit Pogromen heimsuchten.

Der erste, der von Christi Tod am Kreuz profitierte, war jedoch ein Jude: Barabbas. Der verurteilte Aufrührer und Mörder entging der Todesstrafe, weil Pontius Pilatus den Juden anbot, entweder ihn oder Jesus freizulassen. Sie entschieden sich für Barabbas. Diese Geschichte erzählt im Matthäus-Evangelium das Kapitel 27, mit dem wir uns schon beschäftigt haben, weil es den Blutruf „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ überliefert. Der Name Barabbas fällt auch im Kaufmann von Venedig, und zwar in der Gerichtsszene, als Bassanio ausruft, er würde gerne auf Portia verzichten, wenn er dadurch seinen väterlichen Freund Antonio retten könne, was Shylock zu einer abfälligen Bemerkung über christliche Ehemänner veranlasst:

These be the Christian husbands! I have a daughter -
Would any of the stock of Barrabas
Had been her husband, rather than a Christian.

Dieses „stock of Barrabas“ ist ungewöhnlich. Hätte Shylock einfach gesagt, „Would any of the Jews had been her husband“ oder „Would any of the stock of Abraham…“, so würde es nicht auffallen, den die Juden sehen sich als Abrahams Nachkommen. 
Um zu verstehen, warum Shakespeare in diesem Zusammenhang den Namen Barabbas fallen lässt, dürfen wir nicht vergessen, dass Antonio als Christus, der geopfert werden soll, dargestellt ist, und der Jude Shylock als Christusmörder. Dass die Juden das Volk der Gottesmörder sind, dieses mittelalterliche Vorurteil, das seine Wurzeln im Neuen Testament, und zwar hauptsächlich in Matthäus 27  hat, war den Theaterbesuchern der Shakespearezeit vertraut und viele von ihnen glaubten auch daran. Von diesem Vorurteil und von  Kapitel 27, das von dem fatalen Blutruf und von Barabbas‘ Freilassung berichtet, geht deshalb auch jetzt unsere Interpretation aus:
Will man den Urheber eines Verbrechens ausfindig machen, bietet sich als kriminalistische Methode an, die Frage zu stellen: Cui bono? Wem nützt das Verbrechen? Wer profitiert davon? Will man nun auf die Frage, wer aus dem Ritualmord an Christus Nutzen zieht, eine aufrichtige Antwort geben, so muss sie lauten: die Christen. Denn durch Christi Tod am Kreuz werden sie erlöst, sein Opfer beschwichtigt Gottes Zorn über ihre Sündhaftigkeit, deshalb wiederholen sie dieses Menschenopfer symbolisch in ihrer Eucharistie. Statt dieser aufrichtigen Antwort zogen es die Christen das Mittelalter hindurch und bis weit in die Neuzeit hinein jedoch vor, die Juden zu Sündenböcken zu machen und auf sie die Schuld an Christi Tod abzuwälzen. Die Christen schufen die Ritualmordlegende, um sich von den quälenden Schuldgefühlen, die ihnen dieses Menschenopfer bereitete, zu entlasten. Die Juden galten  ihnen als Gottesmörder, womit sie Pogrome und andere antisemitische Untaten rechtfertigten.
Doch zurück zum Kaufmann von Venedig und der Bibelstelle Matthäus 27, die der Gerichtsszene zugrundeliegt. Fragt man sich mit Blick auf Matthäus 27: Cui bono? – so ist der erste, der von Christi Hinrichtung profitiert, der jüdische Verbrecher Barabbas, und mit ihm identifiziert sich Shylock, indem er das Volk, dem er angehört, als „stock of Barrabas“ bezeichnet. In der Nachfolge dieses ersten Profiteurs am Christusmord will Shylock von Antonios Tod profitieren, denn von seinem Blut verspricht er sich eine segensreiche Wirkung. Shylock identifiziert sich deshalb nicht mit Abraham, der seinen Sohn Isaak als Menschenopfer zwar darbringen wollte, aber es dann doch nicht getan hat, und benutzt deshalb nicht die geläufige Formulierung „stock of Abraham“, um sich als Juden zu bezeichnen, sondern „stock of Barabbas“. Er identifiziert sich nicht nur mit Barabbas, dem ersten Nutznießer des Christusmords, sondern malt sich in seiner Wunschfantasie zugleich aus, dass solch ein Barabbas, also er selbst, der Ehemann seiner weggelaufenen Tochter Jessica ist, die er inzestuös an sich binden will. Shakespeare hat mit Shylock wirkliche einen idealen Sündenbock geschaffen! Er ist nicht nur ein Ritualmörder, sondern auch ein Möchtegern-Inzestverbrecher – Inzest aber ist ein Verbrechen wider die Natur, das göttlichen Zorn erregt, der nur durch ein Menschenopfer beschwichtigt werden kann.


1) Es handelt sich um die Ritualmordlegende, englisch blood libel. An jüdische Ritualmorde glaubte zum Beispiel Raphael Holinshed (um 1520-1580), dessen Chronik Shakespeare als Quelle diente.  So schreibt Holinshed über den 1144 ermordet aufgefundenen Jungen William von Norwich, obwohl man über den oder die Mörder nichts wusste:
„This yeare was an heinous act commited by the Jewes at Norwich, where they put a child to death, in crucifieing him vpon a crosse to the reproach of Christian religion.“

Heinrich Heine schreibt in seinem Romanfragment Der Rabbi von Bacharach (1. Kapitel), für dessen Abfassung er ausgiebige Quellenstudien betrieben hat, über den blood libel:
„Eine andere Beschuldigung, die ihnen schon in früherer Zeit, das ganze Mittelalter hindurch bis Anfang des vorigen Jahrhunderts, viel Blut und Angst kostete, das war das läppische, in Chroniken und Legenden bis zum Ekel oft wiederholte Märchen, dass die Juden geweihte Hostien stählen, die sie mit Messern durchstächen, bis das Blut herausfließe, und dass sie an ihrem Paschafeste Christenkinder schlachteten, um das Blut derselben bei ihrem nächtlichen Gottesdienste zu gebrauchen.“

2) Der Hebräerbrief. Erklärt von Hans Windisch. Tübingen 1913, S. 77f. Vgl. auch den Artikel Blut in der Realenzyklopädie für Antike und Christentum, besonders Spalte 471.

2a) Vgl. auch Hartmut Böhme: Von Affen und Menschen. Zur Urgeschichte des Mordes:

"Es scheint auch, daß die Geschichte von Kain und Abel etwas ähnliches verbirgt, was nie beachtet wurde: in seiner Verfluchung Kains kommentiert Gott nämlich den Mord mit Worten, die diesen als ein Opferritual erscheinen lassen: "So bist du verflucht, verbannt vom Ackerboden, der seinen Mund aufgesperrt hat, um aus deiner Hand das Blut deines Bruders aufzunehmen." Das klingt danach, als habe Jahwe den Mord als Menschenopfer verstanden. Könnte es sein, daß Kain, der Bauer, der Erde selbst ein Menschenopfer gebracht hat, nämlich Abel? Ein solches war üblicherweise an weibliche Fruchtbarkeitsgöttinen adressiert."

3) „Originally a blood sprinkling on pagan altars. This word was chosen in Old English bibles to translate L. benedicere and Gk. eulogein, both of which have a ground sense of “to speak well of, to praise” (Online Etymology Dictionary)

4) Aischylos: Sieben gegen Theben 41ff. – Übersetzung: Oskar Werner (Tusculum)

4a) Saga von Håkon dem Guten 14; Übersetzung: Felix Niedner

5) Kapitel 21; Übersetzung: Konrat Ziegler

5a) Pausanias: Beschreibung Griechenlands III, 16,9 - Übersetzung: Ernst Meyer

6) Dieses Motiv macht vielleicht auch den Subtext einer Stelle in Macbeth aus. In III,4 kehrt ein  Mörder, den Macbeth zur Beseitigung von Banquo und Fleance ausgeschickt hat, mit blutverschmiertem Gesicht zurück. Macbeth‘ fragende Feststellung „There‘s blood upon thy face“ korreliert mit Shylocks Blutruf „My deeds upon my head”. Aus Macbeth’ Kommentar dazu “’Tis better thee without, than he within” spricht vielleicht die aus einer archaischen Tiefenschicht der Seele rührende Erleichterung darüber, dass ein Menschenopfer zustandekam, dass der Opfernde dabei mit dem Blut des Opfers besprengt wurde und dass daraus eine Heilswirkung auch für den Auftraggeber fließt.

7) Vgl. zum Beispiel J. A. Bryant: Hippolyta’s View. Some Christian Aspects of Shakespeare’s Plays, 1961, Kapitel 2: Richard II., S. 23:
“The most obvious manifestation of it is the identification of Richard with Christ, which happens to be a historical one. Shakespeare makes explicit use of it first in Act III, when he makes Richard refer to Bushy, Bagot, and Green as “Three Judases, each one thrice worse than Judas!” (III.ii.132). In Act IV, of course, there is considerably more of this sort of thing. There the Bishop of Carlisle warns that if Bolingbroke ascends the throne, England shall be called “The field of Golgotha and dead men’s skulls” (IV.i.144). And Richard observes of Bolingbroke’s supporters:
   … I well remember
The favours of these men. Were they not mine?
Did they not not sometime cry, “All hail!” to me?
So Judas did to Christ; but He, in twelve,
Found truth in all but one; I, in twelve thousand, none.          (IV.i.167-171)

A bit farther on he calls his enemies by another name:

… some of you with Pilate wash your hands
Showing an outward pity; yet you Pilates
Have here deliver’d me to my sour cross,
And water cannot wash away your sin.”                               (IV.i.239-242)

Man könnte einwenden, dass Richard sich nur zum geopferten Christus stilisiert, dass seine Christus-Identifikation also nichts weiter als subjektives Empfinden eines durch seine Entmachtung Gekränkten ist und nicht zu den Grundmotiven des Dramas gehört. Dagegen spricht, dass auch  Bolingbrokes Gefolgsmann Northumberland, als er gegen Richard vorgeht, äußert:
„My guilt be on my head“                     (V,1)
Das lässt sich als Ausdruck von Schuldgefühl verstehen und als Anspielung auf den biblischen Blutruf Matthäus 27,25: „His blood be on us, and on our children“. Das  Gleiche gilt für Bolingbrokes Äußerung angesichts des toten Richard:
Exton, I thank thee not; for thou hast wrought
A deed of slander with thy fatal hand
Upon my head and all this famous land.       (V,6,) 

7a) Metaphern von Blut, das im Bürgerkrieg um den Thron vergossen werden könnte, so dass es die englische Muttererde besprengt, betaut, tränkt oder düngt, durchziehen das Drama – Beispiele:

If not, I’ll use the advantage of my power
And lay the summer’s dust with showers of blood
Rain’d from the wounds of slaughter’d Englishmen:
The which, how far off from the mind of Bolingbroke
It is, such crimson tempest should bedrench
The fresh green lap of fair King Richard’s land         (III,3)

But ere the crown he looks for live in peace,
Ten thousand bloody crowns of mothers’ sons
Shall ill become the flower of England’s face,
Change the complexion of her maid-pale peace
To scarlet indignation and bedew
Her pastures’ grass with faithful English blood      (III,3)

And if you crown him, let my prophesy:
The blood of English shall manure the ground       (IV,1)

8) Vgl. zum Beispiel J. A. Bryant: Hippolyta’s View: Some Christian Aspects of Shakespeare’s Plays. 1961, S. 38:
“Nevertheless, it would be difficult to find in all the Renaissance literary examples of perfect friendship a neater statement of a neater parallel to Christ’s voluntary assumption of the debt that was death to repay.”

Oder Dietrich Schwanitz: Das Shylock-Syndrom, der S. 104 (in Verbindung mit dem Processus Belial) interpretiert:
„Über diesen Bezug wird die stellvertretende Buße Christi für die Sünden der Menschheit mit dem Freundschaftsmotiv zwischen Bassanio und Antonio verbunden. So werden also hinter der Komödie die Konturen eines Szenarios sichtbar, in dem Antonio die Stelle Christi einnimmt, Bassanio die der sündigen Menschheit …“

8a) Die Deutung, dass Antonio als Menschenopfer (wie Christus) sterben soll, wird von Janet Adelman, Blood Relations. Christian and Jew in the Merchant of Venice (S. 107, 112 und die Fußnoten 28, 49, 50) abgelehnt; stattdessen interpretiert die stark von Freud geprägte Shakespeare-Forscherin  das von Shylock beabsichtigte Heraussschneiden des Pfundes Fleisch als Kastration, wobei sich ihr natürlich als Argument anbietet, dass sich Antonio in IV,1,114 selbst als „wether“, also als „kastrierter Schafbock, Hammel“ bezeichnet. Denn als Homosexueller sei er kein Mann, also kastriert, und dieser Status würde durch Shylocks geplante „circumcision/castration“ auch äußerlich sichtbar (S. 120, 121 und Fußnote 74).Und zum Opfer tauge Antonio nicht, weil in alttestamentarischen Zeiten ein Opfertier ohne Makel sein musste, was Adelman auch mit Bibelstellen belegen kann (Fußnote 50) – Antonio aber sei wegen seiner homosexuellen Veranlagung nicht makellos, sondern ein „tainted wether“. Dem halten wir entgegen: „Wether“ bedeutet meistens „kastrierter Schafbock, Hammel“, aber nicht immer – vgl. Oxford English Dictionary: „Wether, besonders die Beispiele von 1450 und 1425. In älteren christlichen Texten bezeichnet „wether“ öfter den Widder, der in der biblischen Erzählung von Abraham und Isaak statt des Sohnes geopfert wird, so zum BeispieI im Chester Cycle Play IV (4) – Abraham and Isaac, einem Mysterienspiel aus dem 15. Jahrhundert, das auch in der Shakespeare-Zeit noch aufgeführt wurde :

An horned wether here I see;
amonge these bryers tyed is hee.
To thee offered now shall hee bee,
anonright in this place.

Im Mittelenglischen hatte "wether" auch die Bedeutung "a ram used as a sacrifice in religious ritual". Sollte diese ältere, mittelenglische Bedeutung von "wether" als "Widder, der geopfert wird" sich bis in die Shakespearezeit hinein (zum Beispiel in alten religiösen Texten und Schauspielen) gehalten haben, könnte der "wether", mit dem Antonio sich vergleicht, von Shakespeare als Anspielung auf die Abraham-Isaak-Geschichte beabsichtigt sein. Auf diese Geschichte könnten ebenfalls Shylocks Worte in I,3 anspielen:

"...Antonio shall be bound."

"Three thousand ducats for three month, and Antonio bound."

"Bound" bedeutet hier "vertraglich gebunden", "durch Vertrag (dem Gläubiger Shylock) verpflichtet". Zugleich könnte es darauf anspielen, dass Abraham seinen Sohn gefesselt hat, um ihn zu schlachten: "...Abraham ... bound Isaac his son, and laid him on the altar ...". Die Abraham-Isaak-Geschichte heißt deshalb heute noch im Englischen "The Binding of Isaac" (und in der jüdischen Theologie "Akeda", was ebenfalls "Fesselung, Binden" bedeutet). Sagt Shylock also im ersten Akt "Antonio bound", malt er ihn sich zur Schlachtung vorbereitet aus. Und es gibt weitere Parallelen:
Dem Messer, das Abraham schon schwingt, um seinen Sohn zu töten, würde Shylocks Messer entsprechen, das er in der Gerichtsszene mitgebracht hat, (gleichsam) eifrig wetzt (IV,1,121), und dem Antonio seine Brust bereiten muss (IV,1,241). Auch der Engel, der eingreift und im letzten Moment Abraham am Schlachten des Opfers hindert, hat seine Entsprechung in der Gerichtsszene: Als rettender Engel, als deus ex machina erscheint Portia und vereitelt den Mord.

9) Das Oxford English Dictionary gibt  als Bedeutung, die “tainted” schon in der Shakespeare-Zeit hatte, an:
„Stained, tinged; contaminated, infected, corrupted; touched with putrefaction or incipient decay; affected with some corrupting influence”

10) Aischylos: Eumeniden 264ff. und 304f. – Übersetzung: Oskar Werner (Tusculum)

11) Goethes Wortwahl „verschone nicht“ erinnert an die Beinahe-Opferung Isaaks durch Abraham in der Übersetzung der Luther-Bibel (1. Mose 22,12):
„Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen.“
Es könnte sich um eine bewusste Anspielung handeln. Oder Goethe hat es so formuliert, weil ihm diese Bibelstelle unbewusst vorschwebte.

12) Auch der Koran erzählt in Sure 37, 100-107  die Geschichte von Abraham, der sich anschickt, seinen Sohn zu opfern, weil Allah es verlangt. Doch das Menschenopfer, zu dem Abraham seine  gehorsame Bereitschaft demonstriert hat, wird im letzten Moment durch ein Tieropfer ersetzt.

13) immer noch grundlegend dazu ist Freud: Trauer und Melancholie

14) Unter anderem als Selbstbestrafung für geheime homosexuelle Sehnsüchte, die auf Bassanio gerichtet sind, deutet es Janet Adelman: Blood Relations. Christian and Jew in The Merchant of Venice, 2008, S. 120f.

Zur Deutung, dass Antonios Strafbedürfnis sich Erfüllung sucht, passt auch die Idee, dass die Requisiten Messer und Waage, mit denen Shylock in der Gerichtsszene auftritt, ihn zur Allegorie der strafenden Justitia machen – vgl. Heinz Zimmermann: Die Personifikation im Drama Shakespeares, 1975, S. 128:
„Auch die  in Shylocks Auftreten mit Messer und Waage in der Gerichtsszene … mitschwingende Anspielung auf die Erscheinung der Personifikation der Justitia mit ihren traditionellen ikonographischen Erkennungsattributen Schwert und Waage … wird in heutigen Aufführungen in der Regel dem Publikum nicht mehr bewusst.“

15) Sigmund Freud: Das ökonomische Problem des Masochismus (GW XIII, S. 378):
"Die dritte Form des Masochismus, der moralische Masochismus, ist vor allem dadurch bemerkenswert, dass sie ihre Beziehung zu dem, was wir als Sexualität erkennen, gelockert hat. An allen masochistischen Leiden haftet sonst die Bedingung, dass sie von der geliebten Person ausgehen, auf ihr Geheiß erduldet werden; diese Einschränkung ist beim moralischen Masochismus fallen gelassen. Das Leiden selbst ist es, worauf es ankommt ..."

16) Vgl. Sigmund Freud: Warum Krieg? (GW XVI, 22):
„Doch möchte ich noch einen Augenblick bei unserem Destruktionstrieb verweilen, dessen Beliebtheit keineswegs Schritt hält mit seiner Bedeutung. Mit etwas Aufwand von Spekulation sind wir nämlich zu der Auffassung gelangt, dass dieser Trieb innerhalb jedes lebenden Wesens arbeitet und dann das Bestreben hat, es zum Zerfall zu bringen, das Leben zum Zustand der unbelebten Materie zurückzuführen. Er verdiente in allem Ernst den Namen eines Todestriebes, während die erotischen Triebe die Bestrebungen zum Leben repräsentieren. Der Todestrieb wird zum Destruktionstrieb, indem er mit Hilfe besonderer Organe nach außen, gegen Objekte, gewendet wird. Das Lebewesen bewahrt sozusagen sein eigenes Leben dadurch, dass es fremdes zerstört. Ein Anteil des Todestriebes verbleibt aber im Innern des Lebewesens tätig und wir haben versucht, eine ganze Anzahl von normalen und pathologischen Phänomenen von dieser Verinnerlichung des Destruktionstriebes abzuleiten. Wir haben sogar die Ketzerei begangen, die Entstehung unseres Gewissens durch eine solche Wendung nach innen zu erklären. Sie merken, es ist gar nicht so unbedenklich, wenn sich dieser Vorgang in allzu großem Ausmaß vollzieht, es ist direkt ungesund, während die Wendung dieser Triebkräfte zur Destruktion in der Außenwelt das Lebewesen entlastet, wohltuend wirken muss.“

17) Ilias 6, 146ff.

18) Kerr / Wyllie / Currie: Apoptosis: A Basic Biological Phenomenon with Wide-ranging Implications in Tissue Kinetics. In: British Journal of Cancer (1972) 26, S. 241

19) Helmut Plattner / Joachim Hentschel: Zellbiologie, 3. Auflage Thieme Verlag  2006, S.421f.

20) Stephan Berry: Was treibt das Leben an? Eine Reise in den Mikrokosmos der Zelle. Rowohlt Taschenbuch Verlag 2007, S. 125

21) www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rbin2_98/rubin3.htm

22) Marina Zwetajewa: Die Kunst im Lichte des Gewissens, in: Marina Zwetajewa: Ein gefangener Geist. Essays. Aus dem Russischen übertragen und mit einem Nachwort versehen von Rolf-Dietrich Keil, S. 76f.

23) Ovid: Metamorphosen III, 717ff. – Übersetzung: Michael von Albrecht (Reclam)

24) Das geht aus Ovid, Metamorphosen III, 511ff. hervor.

25) Vgl. zum Beispiel R. Chris Hassel: Faith and Folly in Shakespeare’s Romantic Comedies. 1980, S. 188:
“Like the bread of Communion, the paper is the body of Antonio. Like the wine, the words are the sacrificial wounds ‘issuing lifeblood’. Like Christ’s engagement to Death and Satan to deliver erring man, Antonio has engaged himself to his ‘mere enemy’, the ‘devil incarnation’ Shylock…”

25a) Alan Dundes: The Ritual Murder or Blood Libel Legend: A Study of Anti-Semitic Victimization through Projective Inversion. In: The Blood Libel legend. A casebook in Anti-Semitic Folklore. Edited by Alan Dundes. 1991, S.354

26) Vgl. auch James Shapiro: Shakespeare and the Jews, 1996, S. 93ff.

27) Vgl. dazu, wie der Antisemit Josef Deckert beim Nacherzählen dieser Legende das Befestigen der Knabenleiche an der Birke kommentiert:
„Der Baum sollte, wie Guarinonius mit Recht vermutet, die Stelle des Kreuzes vertreten und das Kind dem Tolnah ähnlich werden.“ – Tolnah bedeutet, wie Deckert in einer Fußnote erklärt, der Gehängte, denn „nach dem Talmud soll Jesus nicht gekreuzigt, sondern gehängt worden sein!“ – Josef Deckert: Vier Tiroler Kinder, Opfer des chassidischen Fanatismus. Wien 1893, S. 100f.

28) Johann Gabriel Seidl: Wanderungen durch Tyrol und Steyermark – Erster Band, S. 74

29) Offizium des heiligen Simon von Trient; zitiert aus Josef Deckert, a.a.O., S. 2f. – die deutsche Übersetzung stammt von Deckert.

29a) Jüngstes Beispiel: Anfang Juli 2013 bezeichnet die Süddeutsche Zeitung den Judenstaat Israel als Moloch, also als heidnischen Götzen, der Kinderopfer fordert.

30) Dies ist ein fester Bestandteil der Legende, den auch Deckert (a.a.O., S. 101) ausmalt:
"Plötzlich, mitten in der Arbeit, fühlte sie auf ihrer rechten Hand einen warmen  B l u t s t r o p f e n. >Was ist das?<. rief sie voll Bestürzung aus ... Schnitter und Schnitterinnen liefen zusammen und sahen den Blutstropfen. Es war keine Einbildung. Man wischte ihn weg, man sah keine Verletzung an der Hand der armen Frau. ..."

   
 
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