Home
So sehe ich aus
Reverse Colonization
Aktuelles
Essays
1968ff - Romanauszüge
Lyrik
Im Park
Nachts
Sandkasten
Die Uferschwalbe
Aufbruch
Wind
Flugangst
Fernweh
Abhauen
Baumhaus
Kindergeburtstag
Trauerarbeit
Rettung einer Pizzabotin
Wiedergeboren als Nuttenpudel
Wiedergeboren als Wespe
Hafturlaub
Wikingerjunge
Ein Mädchen- und ein Jungenrad
Kurzgeschichten
Zwetajewa: Lyrik
Selbsterlebtes
Interpretationen
Archetypen
Verschiedenes
Архетипы и интерпретации
Archetypes
Gästebuch
   
 


Nordischer Frühe kühnes Kind!
Ein hartes Herz wünscht Wotan dir in deine Brust.
Ich, Gott des Windes, führ es aus.
Um deine Mutter freiten zwei Brüder.
Der eine reich und weich,
der andre arm und Krieger.
Sie fuhren zusammen zur See. Ich ließ es stürmen
und verschlug sie
fast bis nach Grönland.
Kälte, Durst und Hunger litten sie.
Dann trieb ich sie zurück.
Der Weiche starb,
der Krieger zeugte dich. Du bist mein Kind, schon acht, noch zart.

Ich will dich voller Mut erleben
und tose um dein Haus
und hole Schwung und stoß die Tür auf
und fege frisch hinein,
ha, so erreg ich dich
zu einem Abenteuer!
Da, in den Klippen überm Meer,
da wächst die seltne Felsenblume.
Pflück sie und schenk sie deiner künftgen Braut!
Da kletterst du,
dein kühn-verliebter Blick, Eroberer,
dringt in die sonnenhelle Weite übers Meer,
sieht meinen Wolkenschiffen nach.
Ach, deine Hände!
Die Haut noch zart,
der Griff schon fest.
Ach, deine Knie!
Die Haut noch glatt.
Du schrammst dir eins.
Das Blut läuft rot die helle Haut
zum Schuh hinunter -
es ficht dich nicht, das ist das beste Zeichen!
Wer nicht sein Blut vergießen will, der wird kein Mann.
Wie lieb ich den Geschmack von Salz und Heldenblut!
Ich will dich voller Mut erleben.
Bitte, Kind, enttäusch mich nicht!
Ich wühl das Meer auf unter dir.
Es tost und brüllt, ich spritz dich nass mit Gicht.
Es ficht dich nicht. Ich lieb dich so, mein Kind,
will dich noch mutiger erleben.
Dazu brauch ich ein Boot - der Fischer da!
ich kipp es um. Verschling ihn, Schwester Flut!
Ich treib das Boot zum Kliff,
lass es zerschellen unter dir,
feg dir sein Krachen in die Ohren
- es ficht dich nicht,
du lachst und kletterst weiter.
Jetzt eine letzte Probe, Kind.
Ich fege Wolken her und peitsch dir ihren Regen
eiskalt auf Hände und Gesicht, es ficht dich nicht.
Ich spür dein warmes Blut
dir in die Wangen schießen.
Da, pflück die Felsenblume!
Du bist mein wahres Kind.
Du liebst die Wogen, wenn sie tosen.
Du liebst den Regen, wenn er peitscht.
Du liebst mich, wenn ich stürme,
und fühlst dich, Kind, in deinem Element.
Bald führ ich dich
aufs Meer hinaus.
Mit Beute treibt es dich
zurück zu deiner Braut.
Mach sie zur Frau!
Doch vorher mach ich dich
zum Mann, in Sturm und Tod dich tauchend.
Dann zeuge mir ein Kind!
Wer nicht dem Tod ins Auge sah,
zeugt keine starken Kinder.

Jetzt bist du zwölf und nicht mehr lange zart.
Jetzt mach ich dich zum Mann!
Ich kenne ja dein Herz und weiß, was dich verführt.
Als Frühlingssturm vermisch ich Sonnenschein
mit dunkelblauen Wolken und ich peitsch mit frischem Nass
das junge Grün.
So kitzl ich deinen Mut, der sich schon lange wieder
erproben will. Du fährst mit deinem besten Freund
aufs Meer auf eigne Faust. Dein Vater hat's verboten.
Ha, jetzt mach ich dich zum Mann!
Ich werd zum Sturm und tob um dich herum
und balge mich mit dir, du blonder Racker.
Jetzt feg ich dich vom Boot!
Ha, so reiß ich gern,
ich Frühlingssturm,
ein grünes Blatt vom Baum - Da ist er, Schwester Flut!
Schlag über ihm zusammen!
Schlürf ihn in deine Tiefe!
Und spuck ihn wieder aus, erwachsen!
So, jetzt ist's genug!
Hörst du? Es ist genug!
Lass mich nicht so bange auf dir kreisen!
Gib ihn wieder her! Erstick ihn nicht!
Schnür mich nicht länger
von ihm ab in deiner Eifersucht!
Ich bin sein Element, mich atmet er!
Bist ihm doch durch die Kleider
auf die Haut gedrungen.
Saug du dem Kind die Zartheit aus,
gib mir den Mann zurück!
Ich warne dich!
Ich wühl dich nie mehr auf!
Ich lass dich platt und windstill, jeder Schiffer
wird deiner fluchen, dem die Fracht verdirbt.
Aah, sie gibt ihn frei! Ich treibe ihn zum Boot.
Sein Freund zieht ihn hinein.
Bitte, Lungen, regt euch, saugt mich ein!
Lasst mich sein Blut beleben, bitte!
Rudre, Freund, leg dich ins Zeug!
Ich schieb die Wolken weg.
Komm, Sonne, wärme ihn und trockne seine Kleider.
Ich heule um sein Haus.
Der Mann, den ich zu seinem Vater machte,
tritt vor die Tür, erschrocken, ahnt und läuft zum Ufer,
trägt seinen Sohn zum Haus mit starken Armen
(die habe ich so stark gemacht auf See. ich ließ sie
mit mir kämpfen!)
Ah, in deiner Brust
regt sich das Leben wieder!
Wir haben ihn gerettet!

   
 
Top