Geert Wilders hat gestern, am 2. Oktober 2010, eine Rede in Berlin gehalten, in der er auch auf das Schuldgefühl eingeht, das in der Seele des westlichen Menschen wirkt:
Eines der Dinge, die zu sagen uns nicht mehr erlaubt wird, ist, dass unsere Kultur bestimmten anderen Kulturen überlegen ist. Dies wird als eine diskriminierende Äußerung gesehen – wenn nicht sogar als eine des Hasses. Wir werden täglich in den Schulen und durch die Medien mit der Botschaft indoktriniert, alle Kulturen seien gleichwertig und dass, wenn eine Kultur schlimmer als andere ist, dies unsere eigene sei. Eine Flut von Schuldgefühlen und Scham bezüglich unserer Identität und dessen, wofür wir stehen, ergießt sich über uns. Wir werden ermahnt, jedem und allem Respekt zu zollen, außer uns selbst. Das ist die Botschaft der Linken und des politisch korrekten herrschenden Establishments. Sie wollen bei uns das Gefühl der Scham hinsichtlich unserer eigenen Identität auslösen, so dass wir davon Abstand nehmen, für diese einzutreten. ... In diesen schweren Zeiten, in der unsere nationale Identität bedroht wird, müssen wir das Schuldgefühl abstreifen und damit aufhören uns schuldig zu fühlen, die zu sein, die wir sind. Wir sind nicht „Kafir“, wir sind nicht schuldig.
Wie wird seine Aufforderung ankommen? Ein typischer Deutscher und Europäer ist Karl May, dessen Roman Winnetou I von diesem Schuldgefühl geprägt ist. Old Shatterhand, ein alter ego des Autors, wirkt anfangs dabei mit, im Solde weißer Imperialisten den Indianern die verdorbene westliche Zivilisation zu bringen. Daraus fließen Schuldgefühle und ein masochistisches Strafbedürfnis, das sein Verhältnis zu Winnetou bestimmt. Stellen wir uns jetzt einmal einen Wilders in Cowboy-Kluft vor, lassen wir ihn in unserer Fantasie im Roman oder in der Verfilmung auftreten: quasi als Therapeut, der versucht, Old Shatterhand von seinen Schuldgefühlen zu heilen. Dieser Wilders wird es natürlich gutheißen, dass Nscho-Tschi in eine Stadt des Westens übersiedeln und sich an den american way of life assimilieren will - ja, er selbst könnte ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt haben. Lassen wir unserer Fantasie weiter freien Lauf und stellen uns eine Nscho-Tschi in einem Saloon vor: Nuttig aufgedonnert serviert sie rauchenden und fluchenden Cowboys ihren Whiskey und lässt sich von ihnen in den Hintern kneifen. So etwas hat Karl May seinen Leser-Fans erspart und Winnetous Schwester lieber auf dem Weg in die Stadt umkommen lassen. Wir Deutsche sind nun einmal Romantiker und hegen unser Schuldgefühl, auch wenn ein Wilders es uns ausreden will, damit wir gegenüber den anatolischen Winnetous in unseren Städten selbstbewusster auftreten. Was hat es eigentlich mit diesem Schuldgefühl auf sich, aus welchen Quellen fließt es, wie alt ist es? - dazu steht hier etwas!
Anfang November 2010
Nachtrag 30. November 2010:
In der Print-Ausgabe des SPIEGEL vom 29.11.2010 lesen wir über einen BILD-Kolumnisten:
Franz Josef Wagner wollte Schriftsteller werden. ... Als Kind hat er Karl May umgeschrieben, er riss die Seiten heraus, auf denen Winnetous Schwester Nscho-tschi stirbt, schrieb die Seiten neu und klebte sie "mit Mehlpappe" in das Buch ein. In Wagners Version überlebt Winnetous Schwester und heiratet Old Shatterhand.
Warum nicht gleich Franz Josef Wagner? In einer Fortsetzungsgeschichte hätte er sie als Volontärin in BILD oder der BUNTEN untergebracht, wo sie zur Starjournalistin aufblüht. Und wenn sie nicht gestorben sind, so schreiben sie noch heute.